BesserFernsehen, Medien, Musik, Inspiration & Wellbeing

Blog

 
Schriftgröße: +

Leute, Leute! Lasst es krachen ...

Wer sagt über die Trennung von Heidi Klum und Gatte Seal (nachdem ein Ausschnitt aus einer amerikanischen Talk-Show eingeblendet worden war, in der Heidi bekannte, dass sie sich für Schäferstündchen mit Gatte Seal extra auf dem Dachboden oder im Schrank verabreden würde): „Ja hat denn der Heidi eigentlich mal irgendeiner erzählt, dass man Schwarze in den USA nicht mehr verstecken muss?"

Richtig, es ist die von ihren Fans liebevoll „Gruberin" genannte bayrische Kabarettistin (& Schauspielerin) Monika Gruber – hinlänglich bekannt aus dem Bayrischen Fernsehen, wo sie über die Jahre für zahlreiche Höhepunkte im satirischen Schaffen des Senders sorgte: "Kanal Fatal", "Die Komiker", "Normal is des ned",  „Grünwald Freitags-Comedy", "Die Klugscheisser", überdies Solo-Bühnen-Programme wie etwa "Wenn ned jetzt, wann dann!" und anderes mehr. Oder sie tischt „Neues aus der Anstalt" auf. Und nimmt jetzt monatlich in ihrer neuen Sendung „Leute, Leute!" (ZDF) „Promis und andere Menschen ohne richtigen Beruf" unter die Lupe. Jenseits von Bussi-Bussi und Wir-loben-uns-alle-über-den-grünen-Klee. Es darf also gelacht werden – aus Freude oder Schadenfreude. Ein paar kleine Kostproben aus der Auftakt-Sendung:

Aus dem Gespräch mit der fiktiven – der „echten" nachempfundenen – Promi-Expertin „Idylle Seichtenberg": „Warum bloss macht ein Promi Werbung für Diäten?" „Weil er für eine Karriere zu alt, fürs Promi-Dinner zu verfressen und für ein Leben in Bescheidenheit zu verschuldet ist." „Und wer ist generell anfällig für sogenannte Promi-Diäten?" „Menschen, bei denen das Gewicht über dem IQ liegt." „Hat sich Chiara O. eigentlich ein Magenband ums Grosshirn schnallen lassen, um nicht zu viele Gedanken zu sich zu nehmen?"

Und aus dem Gespräch mit Oliver Kalkofe über die Sat1-Sendung „Der Bachelor" („Der Bettschälla", wie die Bild-Zeitung ihre Leser netterweise über die korrekte Aussprache aufklärte): „Das ist ja jetzt nicht einfach so eine schnöde Schnitten-Show, in der irgend ein schmieriger Alster-Beckham mal zur Probe 20 Titten-Törtchen durchnudeln darf. Das ist ja schon schwer ‚emotional', das Ganze. Wie beim Porno darauf warten, dass sie am Ende heiraten ... Oder ins Gehirn von Charlie Sheen schalten ... Oder in die alte Kabinetts-Sitzung von Silvio Berlusconi ... Ich glaube, wenn Alice Schwarzer diese Sendung gesehen hat, hat sie nach zwei Minuten ihren Receiver gefressen. Garantiert. Da wurden quasi 35 Jahre Emma mit einer Folge ‚Bachelor' ins Klo gespült und noch im Klärwerk darauf geschissen ..."

Klar – Humor ist Geschmacksache. Aber wenn Monika Gruber auf Oliver Kalkofe trifft, dann bin ich ein bisschen voreingenommen! Dann denke ich an die vielen unterhaltsamen Sendungen, die ich von den beiden schon gesehen habe, und bin dankbar, dass so etwas in Zeiten der televisionären Casting-, Scripted-Reality- und Boulevard-Schwemme überhaupt noch existiert.

Früher gab es Clowns und Komödianten, welche die Widrigkeiten des Lebens mit feinem Humor und Ironie in lustige kleine Kabinett-Stückchen verwandelten. Und in den besten Momenten die Zuschauer mit ihrem Esprit verzauberten. Ende der 90er Jahre und insbesondere in den Nuller-Jahren erblickte eine neue Spezies im Humor-Fach das Licht der deutschen Bildschirme: der Comedian. Vor allem die privaten Fernseh-Sender hatten begonnen, Ausschnitte aus Bühnen-Programmen auszustrahlen, die sich mehr oder weniger an amerikanischen Vorbildern orientierten. Heute geht das Wort „Comedian" auch jenen Zuschauern geschmeidig über die Lippen, die es nicht so mit den Fremdsprachen haben. Comedy steht als moderner Ober-Begriff für verschiedene Formate wie Solo-Bühnen-Shows (Stand-Up-Comedy), Mixed Comedy (verschiedene Comedians treten nacheinander auf), Panel-Shows (Moderator und Comedians sitzen am Tisch), Sketch-Shows, Sitcoms, Trick Comedy (Trick-Filme), Impro Comedy (Comedians improvisieren) und andere mehr.

Comedy mit ihren vielen Gesichtern erfreut sich nach wie vor grosser Beliebtheit. Auch ältere Folgen beliebter Produktionen werden immer mal wieder erfolgreich ausgestrahlt. Das deutsche Comedy-Schaffen bietet glücklicherweise für (fast) jeden Geschmack etwas. Da gibt es Comedians, die mit immer ähnlichen Sprüchen zum immer gleichen Thema (Mann und Frau) die grössten Hallen und Stadien füllen. Die mit dem immer gleichen breiten Grinsen und dem immer gleichen grusligen Lachen, mit clown-haftem Gehampel, Gequietsche und Gestammel die fettesten Gagen abkassieren. Und die sich mit einem dicken Buch- und Fan-Artikel-Handel gleich noch für die nächsten Jahrhunderte sanieren. Aber in ihren Shows verkörpern sie immer noch den kleinen Berliner Hampel in der kleinen Berliner Wohnung mit der dusseligen Freundin. Da wünschen wir gute Unterhaltung und schalten um. Denn es gibt durchaus Alternativen: Kluge, kreative und kritische Comedy an der Schnittstelle zwischen Anspruch und Massen-Tauglichkeit. 

Dieter Nuhr beispielsweise: „Berlusconi hat jeden Abend 'ne neue Blondine im Arm. Man weiss nicht: Ist das eine Prostituierte? Ist es die neue Bildungs-Ministerin? Oder beides?". Oder: „Gott muss ein Mann sein. Sonst würde er zu uns sprechen." Oder besagter Oliver Kalkofe. Oder Eckart von Hirschhausen, Vince Ebert, Michael Mittermeier, Atze Schröder, Ingo Appelt und andere mehr.

Sehr sehenswert sind auch Shows wie etwa „Switch Reloaded", „Granaten wie wir" oder „Kalkofes Mattscheibe", die humorvoll das deutsche Fernseh-Schaffen und seine Protagonisten parodieren. Und dabei mit viel Humor den Finger auf die wunden Punkte legen. Viele Betroffene empfinden die Parodien mittlerweile als Ehre und Anerkennung und können selber darüber lachen – zumindest nach aussen hin. Ob sich jetzt ein junger Volksmusik-Moderator freut, wenn er als dämlicher, dauer-grinsender Hampelmann dargestellt wird, bleibe dahingestellt. Aber es ist richtig gute Unterhaltung. Der deutschen „Bild-Zeitung" ist einmal folgender Lapsus passiert: Ein Artikel über die RTL-Show „Bauer sucht Frau" sollte mit einem Foto der Moderatorin bebildert werden – und erschien mit einem Bild ihrer Parodistin aus „Switch Reloaded". Ein Ritterschlag!

Mittlerweile gibt es zahlreiche sogenannte Mixed-Comedy-Shows, wo verschiedene Comedians nacheinander auftreten. Grundsätzlich keine schlechte Idee, die für Abwechslung sorgen soll. Und eine Weile lang war das auch eine gute Sache, es gab viele interessante neue Ansätze und auch hin und wieder mal ein vielversprechendes neues Talent. Aber da inzwischen viele Comedians ihr eigenes TV-Format haben und praktisch jeder bei jedem auftritt und sich alle nur noch über den grünen Klee loben, ist es mit der Abwechslung nicht mehr weit her. Die Shows sind zur grossen Kuschel-Plattform der Selbst- und Fremd-Beweihräucherung geworden.

Übrigens hat Scripted Reality („Realität" nach Drehbuch) bereits vor seiner medialen Massen-Verbreitung im Comedy-Bereich Einzug gehalten: Bereits 2002 gestand ein gewisser Wilfried Meyendriesch, vom SWR mehrfach für Szenen mit der versteckten Kamera in „Verstehen Sie Spass?" gebucht worden zu sein, weil er sich als Meister der gespielten Überraschung bewährt hatte. Der SWR bestritt das nicht.

Im Comedy-Bereich entsteht immer mal wieder die eine oder andere gelungene Innovation. Manchmal basiert sie auf einem ausländischen Format und wird geschickt auf hiesige Verhältnisse übertragen. Wie etwa „Pastewka – Die Serie". Der deutsche Comedian Bastian Pastewka verkörpert darin eine Mischung aus sich selbst und der Kunst-Figur Bastian Pastewka. Oder in seinen Worten: „Eine Serie, die aus dem fiktiven Alltag meines fiktiven Alter Egos fiktive Geschichten erzählen sollte, Geschichten, die mir allerdings im wahren Leben genauso passieren könnten." Zumindest in seinem Serien-Alltag tritt er in jeden Fettnapf und in jedes Wespen-Nest. Die Serie ist an „Lass es, Larry!" („Curb Your Enthusiasm") angelehnt, eine US-Fernseh-Serie. In der Hauptrolle spielt Larry David, Mit-Erfinder der erfolgreichen US-Comedy-Serie „Seinfeld", sich selbst. Als Multi-Millionär lebt Larry David mit seiner Frau in einem tollen Anwesen in Los Angeles. Er ist erfolgreich und hat gute Freunde. In einer Mischung aus nacherzählten Begebenheiten und fiktiven Elementen stellen die einzelnen Episoden Bruchstücke aus dem Alltag von Larry David dar, manchmal schreiend komisch, oft schockierend offen und dann wieder ganz banal-trivial.

Abschliessend noch ein paar Tipps aus dem breiten Schaffen von Monika Gruber (auf „YouTube" gibt's natürlich noch viel mehr davon ...):

Pizza-Werbung: http://www.youtube.com/watch?v=lvjfb-4Gox8&NR=1

Essen mit Hindernissen: http://www.youtube.com/watch?v=xMLpZkG-upE&feature=related

Im Krankenhaus: http://www.youtube.com/watch?v=RlJsfGEh1ww&feature=related

Ich will Moderatorin werden: http://www.youtube.com/watch?v=lF9Nv1p9GjM&NR=1

Die lieben Verwandten: http://www.youtube.com/watch?v=SG5lhMksj1E&feature=related
Ground Control to Major Tom
Fernsehen bleibt global führendes Massen-Medium