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Dschungel-Camp 2012: Kein magischer Jahrgang

Du kannst zwar den Dschungel verlassen, aber der Dschungel verlässt Dich nicht, besagt ein altes afrikanisches Sprichwort. Wie wahr – geisterte doch das „RTL-Dschungel-Camp“ in den letzten beiden Wochen kreuz & quer durch alle Medien. Der Mensch, reduziert auf sich selbst und ein paar Kakerlaken, lockte wieder jede Menge Zuschauer vor die Bildschirme. Mittlerweile ist das Dschungel-Camp 2012 Geschichte, die Dschungel-Königin gewählt (Brigitte „Was geht los da rein?“ Nielsen, gestählt durch rund ein Dutzend Reality-Formate in diversen Ländern) – und man kann resümieren: Es war ein schwacher Jahrgang. Nicht Moderations-mässig, das war gewohnt solides Handwerk, die treffend-ironischen Kommentare genau auf den Mund geschrieben. Auch nicht werbe-technisch – da ging es erstmals merklich aufwärts. Aber Kandidaten-mässig kam ein ziemlich lahmes Trüppchen zusammen, das lediglich bei Dschungel-Prüfungen auftrumpfen konnte.

Obschon Potential da gewesen wäre für ein bisschen Zauber in Zeiten von Euro-Krise und nass-kaltem Januar-Wetter. Der Berner Magier Vincent Raven hätte den Dschungel raven, die Nielsen verzaubern oder wenigstens die starken Regen-Güsse voraussagen können. Aber er tat nichts dergleichen. Obwohl er sich vor dem Dschungel-Camp durchaus auf Brigitte Nielsen gefreut hatte: „In den 80ern war die ja scharf. Mal sehen, wie das heute ist.“ Er liebe alte Krähen, meinte er (bei anderer Gelegenheit). Stattdessen fiel der Raben-Flüsterer v.a. durch wenig zauberhafte Wut-Ausbrüche auf. Die eingeschränkte Nikotin-Zufuhr im Dschungel liess ihn wohl wehmütig an 2008 zurückdenken, als er in der Casting-Show „The next Uri Geller“ nicht nur den Sieg, sondern auch jede Menge Zigaretten mit nach Hause tragen durfte. Denn Juror & Löffel-Bieger Uri Geller hatte die Raucher/innen unter den Zuschauern im Saal animiert, jetzt sofort mit dem Rauchen aufzuhören: „Werft alle Eure Zigaretten auf die Bühne, Ihr werdet sie nicht mehr brauchen!“, so der Magier. Zahlreiche Gäste folgten hoffnungsvoll der Aufforderung – nur einer widersetzte sich den Anweisungen des Meisters und sammelte nach der Show seelenruhig mit einem grossen Plastik-Sack alle auf die Bühne geworfenen Zigaretten-Packungen ein.

Diesen Sack hätte der Raben-Vater im Dschungel-Camp gut gebrauchen können, wo die Tages-Ration auf 5 Glimmstängel begrenzt war. Nicht viel für einen eingefleischten Ketten-Raucher (3 – 4 Päckli pro Tag) – erst recht nicht, wenn die Tages-Ration bereits am Morgen weggeraucht worden ist …

Keine guten Voraussetzungen, um klein in den Dschungel reinzugehen, über sich selbst hinaus zu wachsen und ein bisschen grösser wieder rauszukommen. Wie etwa Kim oder Rocco. Wie die Hoffnung praktisch aller mehr oder weniger auf- & abgetakelten Kandidatinnen & Kandidaten. Wohl auch die Hoffnung des Raben-Flüsterers, hatte er doch rechtzeitig vor dem Einrücken ins Camp seinen Online-Shop auf Vordermann gebracht. Da lassen sich nun jede Menge „Raben-Artikel“ wie Schmuck, Klamotten, Tassen, Räucher-Werk oder Poster bestellen. Im Dschungel wurde schon mal werbe-wirksam das „Amulett der Pforten“ geschwungen – der sperrige Glücksbringer ist für 299 Euro in 1 – 2 Tagen lieferbar. Ein Schnäppchen sozusagen – soll doch der Träger u.a. „das Licht finden und den Frieden, Freude und ewiges Glück sowie Schutz vor allem Bösen“.

Nun kann sich der Vincent ja mal ausgiebig in seinem eigenen Shop einkleiden – da gibt es nämlich keine roten Hosen wie im Dschungel („Diese Tunten-Farbe macht mich voll aggressiv, diesen Schwuchtel-Fummel ziehe ich nicht an …“). Im Raven-Shop ist alles schön düster & schwarz. Und Vincent singt von „tanzenden schwarzen Seelen“ – lange bevor er sich im Dschungel darüber beschwerte, dass „der Gestank nicht in seine Kleider, sondern in seine Seele reingegangen sei“. Nun denn, mit der feilgebotenen Räucher-Ware kann er sich bestimmt einigermassen vom „spirituellen Stress“ im Dschungel erholen.

Auf der Raven-Homepage finden sich Einsichten wie etwa  „… selbst in unserer modernen Gesellschaft hat man die Raben nicht ganz ins Reich der Mythen und Sagen verbannt, sondern sie werden im Tower of London gehegt und gepflegt, denn würden die Raben den Tower verlassen, so erzählt man sich, würde das britische Empire zusammenstürzen.“ Uii – aber vielleicht haben die Raben den Tower auch bereits vor langer Zeit verlassen, irgendwann in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Man weiss es nicht genau. Genauso wenig, wie man weiss, warum sich diese klugen Tiere ausgerechnet den Vincent als ihren Meister & Partner ausgesucht haben …

Und genauso wenig, wie man weiss, weshalb RTL gerade diese lahme Kandidaten-Truppe eingekauft hat – willige & (mehr oder weniger) billige D-Promis mit Aufmerksamkeits- und/oder Geld-Mangel gibt es schliesslich genug. Heute mehr denn je, wo das Dschungel-Camp gesellschaftsfähig geworden ist und mittlerweile sogar für Fernseh-Preise im Gespräch ist.

Wie sagte doch der letztjährige Teilnehmer, Alt-Hippie Rainer Langhans (Mit-Begründer der legendären „Kommune 1“) so schön: „Das Dschungel-Camp ist die Ur-Form der Kommune. Man hockt sich Tag und Nacht auf der Pelle und geht sich auf die Nerven. Das war bei uns 68ern auch so.“

Na dann, auf ein Neues im nächsten Jahr! 
Rudi Ratlos
Der allerbeste Vorsatz für 2012